NS-Dokumentationszentrum München

Begrenzt offener Realisierungswettbewerb 2008, Engere Wahl
Auslober: Landeshauptstadt München

Ort der Täter
Die besondere Aufgabe des Neubaus eines NS-Dokumentationszentrums in München besteht in der Reflexion des Orts. Die besondere Bedeutung des Standorts auf dem Gelände der ehemaligen Parteizentrale der NSDAP erfordert eine deutliche Auseinandersetzung mit dem authentischen Ort und muss den fundamentalen Bruch mit dessen Geschichte aufzeigen. Dies soll bereits durch die städtebauliche Setzung des Baukörpers geschehen. Bewusst werden nicht die Abmessungen des Braunen Hauses aufgenommen, sondern das Gebäude weicht von der Brienner Straße zurück. Es erhebt somit keinen Anspruch auf Repräsentation, wird nicht Teil des Ensembles, sondern steht objekthaft daneben und macht aufmerksam. Auf diese Art und Weise entsteht ein zusätzlicher Freiraum vor dem Gebäude, der hilft die Besucherströme aufzunehmen und als ein erster Ausstellungsraum im Freien dient. Weiterhin ist es so auch möglich, die notwendigen Untergeschosse großzügig natürlich zu belichten. Eine Baumreihe bildet den räumlichen Abschluss zur Brienner Straße.

Gebrauchsskulptur
Auch beim Entwurf des Gebäudes selbst kommt dem Umgang mit der historischen Topographie der Nachbarschaft die entscheidende Bedeutung zu. Das Haus soll den Ort erlebbar machen und Aus-/Ein- und Überblicke bieten. Dabei dient es zum einen als lebendiger und funktionaler Veranstaltungs- und Bildungsort, soll andererseits aber auch den passenden räumlichen Rahmen für die Dauerausstellung bieten.

Das Gebäude ist als Raumfolge konzipiert, die bereits auf dem Vorplatz beginnt und sich durch das offene Foyer hin zu den Ausstellungsbereichen in den Untergeschossen entwickelt. Auf sämtlichen Geschossen bieten sich gezielte Ausblicke, abgeschlossene Bereiche verschaffen dem Besucher aber auch Abstand von der Alltagswelt und helfen ihm sich der komplexen Thematik anzunähern (Einblicke). Der Baukörper bildet die innere Raumfolge plastisch nach aussen hin ab. Er wird aber auch von aussen begehbar: Eine Freitreppe im Rücken des Gebäudes führt auf das Dach des Gebäudes, von wo aus der Besucher die gesamte historische Topographie der Umgebung überblicken kann und wo er dazu entsprechende Informationen erhält. Es ist denkbar, diese Aussichtsplattform auch ausserhalb der Betriebszeiten des Dokumentationszentrums zu öffnen. Möglichen Schwellenängsten wird so fast spielerisch entgegengewirkt.

Sichtbeton
Ausgehend von dieser Idee der begehbaren Skulptur wird das Material gewählt. Sichtbeton erlaubt, alle Oberflächen gleich zu gestalten. Im Innern entsteht eine neutrale Benutzeroberfläche, die Gestaltung der Fassaden spiegelt die inneren Funktionen wider. Auch sie sollen in Sichtbeton ausgeführt werden, der allerdings durch Zuschläge veredelt wird. Der Verglasung des Seminar- und des Verwaltungsgeschosses wird eine Sichtbetonfassade vorgeblendet, die die Kubatur des Baukörper abschliesst, durch ihre Perforation die Innenräume allerdings mit ausreichend Tageslicht versorgt und die Aus- und Einblicke filtert bzw. steuert. Dieses Thema wiederholt sich bei der Gestaltung des Vorplatzes und gewährleistet so eine gleichmäßig gute Belichtung der Ausstellungsräume in den Untergeschossen. Die Gestaltung der Freiräume steht insgesamt im Einklang mit der Architektur des Gebäudes und ist zurückhaltend, aber belastbar und von hoher Aufenthaltsqualität.Trotz des plastischen Baukörpers entsteht kein Denkmal, sondern ein zeitgemäßes modernes Gebäude, das durch seine Klarheit und Einfachheit in der Ausgestaltung dem sensiblen Thema und dem nötigen Respekt vor dem Ort gerecht wird.


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