Feuer- und Rettungswache Nord in Kiel-Holtenau

Realisierungswettbewerb 1. Preis 11/2018
Realisierung (LPH 1-8) 2019-2023
Bauherr: Landeshauptstadt Kiel
BGF: 4.320 qm

Stadt und Landschaft
Der Charakter des Grundstücks wird wesentlich von dem Kontrast zwischen der schattigen Allee der Boelckestrasse und den flankierenden „Knicks“ im Gegensatz zu der Weite der hier beginnenden Wiesenlandschaft geprägt. Der Neubau der „Nordwache“ soll als plastisch gegliederter Baukörper trotz seiner Größe im Übergang von der Boelckestraße in die freie Landschaft vermitteln. Die Gebäudemasse wird dabei im südlichen Teil des Grundstücks platziert und durch große Öffnungen im Bereich der Wagenhallen perforiert. Gliedernd und rhythmisierend liegen demgegenüber die vorgelagerten Finger mit einladender Geste zur Boelckestrasse orientiert und erzeugen aus der Perspektive der Passanten eine angenehme räumliche Tiefe. Es entstehen zwei Vorhöfe: der östliche Alarmhof und ein westlicher, der als PKW-Stellplatz und als Eingangshof und Adresse dient. Die Höhenstaffelung des Baukörpers soll mit seinen zweigeschossigen Aussenkanten zu seinem Umfeld vermitteln, lediglich die südliche Begrenzungswand des Alarmhofes ist dreigeschossig wahrnehmbar. Das gesamte Areal wird konsequent kreuzungsfrei erschlossen. Einrückende Rettungsfahrzeuge erreichen ihren Wagenstellplatz auf direktem Wege in die Halle oder über die Umfahrt gegen den Uhrzeigersinn. Entlang der Umfahrt werden ebenso die PKW-Stellplätze, die Rückseiten aller Durchfahrtshallen und wieder die Alarmausfahrt erreicht.
Der Sportplatz wird im westlichen Teil des Grundstücks im Übergang zum Grundstück des Flughafens vorgesehen. Die versiegelten Flächen werden durch Einschnitte und Aussparungen im Bereich der Gebäudeumfahrt auf das für die Bewegungsflächen der Fahrzeuge notwendige Mass reduziert, einige Baumpflanzungen mit einheimischen Gehölzen sollen das Areal weiter arrondieren. Der Alarmhof mit intensiven Fahr- und Lenkbewegungen soll als Besenstrich-Betonplatte ausgeführt werden, die Umfahrt als Asphaltdecke. Der PKW-Stellplatz kann mit versickerungsfähigem Rasenpflaster (Rasenliner) grün gestaltet werden.

Haus und Hof
Der Gebäudeentwurf zielt auf möglichst gute Funktionalität ab. Die beiden Bereiche Rettungsdienst und Feuerwache werden über einen gemeinsamen Eingangshof erschlossen, funktionieren im Gebäude aber sowohl getrennt als auch gemeinsam. Der Bereich Fahrzeughalle – Schleuse – Umkleide ist jeweils kompakt und übersichtlich organisiert. Bei der Feuerwehr wird als Besonderheit für die Erschließung der Umkleiden, Spindräume und des Trockenraums ein Schwarzflur vorgeschlagen. Die Räume für Material und Einsatzmittel befinden sich jeweils in unmittelbarer Nähe zu den Fahrzeugen, teilweise im Bereich der Fahrzeughalle. Im Zwischengeschoss sind die Sporträume, die Räume für Referendare und die Technik angeordnet. Das zweite Obergeschoss nimmt alle Räume des Wachbetriebs auf: Küche mit Aufenthalt, Büros und die Ruheräume. Diese sind nach Süden zur ruhigen Seite orientiert und verfügen ebenso wie der Aufenthaltsraum und der Schulungsraum über einen kleinen Austritt. Alle Obergeschosse sind über Rutschschachtanlagen mit den Fahrzeughallen verbunden. Das östliche Treppenhaus ist etwas überhöht: es kann dank entsprechender Fenster als Übungswand genutzt werden und im überhöhten Kopf finden die großen Lüftungsgeräte ihren Platz – ohne das Erscheinungsbild von aussen zu stören. Für die Realisierung des 2. Bauabschnitts der Stellplätze Rettungsdienst soll die strassenseitige Stirnwand bereits mit dem 1. Bauabschnitt realisiert werden. Somit ist die räumliche Ausdehnung bereits markiert und das Haus hat bereits sein beinahe fertiges Gesicht. Die Ergänzung um drei Hallenstellplätze kann dann im Anschluss als „Füllung“ erfolgen.

Konstruktion und Nachhaltigkeit
Das Gebäude soll als Massivbau mit einer Klinkervorsatzschale konstruiert werden. Klinker ist zum einen natürlich ein ortstypisches Material, verweist inhaltlich aber auch auf klassische Funktionsarchitekturen. Das Klinkermauerwerk stellt zudem eine dauerhafte, wartungsarme und sehr hochwertige Fassadenkonstruktion dar. Die einheitliche Verwendung des Materials betont die plastische Erscheinung des Baukörpers. Durch einen plastischen Zierverband sollen die beiden Hallenstirnseiten und die Leitwand zum Haupteingang eine besondere Veredelung erfahren. Großformatige, präzise gesetzte Öffnungen gliedern den Baukörper zusätzlich. Die Fenster der Büros werden dabei zu horizontalen Fensterbändern zusammengefasst. Alle verwendeten Materialien wie Beton, Klinker etc. sind günstig in der Unterhaltung und unterliegen einem unkritischen Alterungsprozess. Das Gebäude ist als einfach strukturierter Massivbau konzipiert. Die Spannweiten im Bereich der Halle ist auf ein Minimum reduziert. Auf eine Unterkellerung kann verzichtet werden. Grundprinzip der energetischen Konzeption ist, dass das Gebäude in seiner energetischen und klimatischen Funktion der Umgebung und Nutzung angepasst wird, Architektur und Haustechnik also bereits im Entwurf auf die klimatisch-energetischen und nutzungsspezifischen Anforderungen reagieren. Dazu tragen sinnvolle passive und aktive Maßnahmen und eine optimierte Nutzung der natürlichen Ressourcen wie beispielsweise die Nutzung der Gebäudemasse bei. Reduktion der Haustechnik auf das minimal notwendige Maß, um den Raumkomfort und die energetischen Ziele einzuhalten. Die Dämmung und die Wärmeschutzverglasung verringern die winterlichen Energieverluste auf ein Minimum. Es muss auf eine möglichst wärmebrückenfreie Konstruktion geachtet werden, um sowohl unnötige Wärmeverluste zu vermeiden, als auch bauphysikalischen Schäden vorzubeugen. Sommerlicher Wärmeschutz durch einen außenliegenden liegenden, nach Sonnenstand geregelten verfahrbaren Sonnenschutz.
Hybridlüftung: Gewährleistung des notwendigen hygienischen Luftwechsels durch eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und Nutzung der natürlichen Lüftung über die Fenster. Nutzung der Gebäudemasse als thermischer Puffer. Nutzung der massiven Decken als thermische Speichermasse unter Beachtung des notwendigen akustischen Komforts. Die Dachflächen sind begrünt und sollen zudem großflächig für Photovoltaik genutzt werden.


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