Mehrgenerationenplatz München-Forstenried

Realisierungswettbewerb 3. Preis 07/2011
mit michellerundschalk landschaftsarchitektur und urbanismus
​Auslober: Förderverein Freie Waldorfschule München Südwest e.V., Wogeno München eG
BGF: ca. 8.000 qm Wohnen

Mehrgenerationenplatz und Dorfstruktur

“Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“
afrikanische Weisheit

Die in der Auslobung formulierte Zielvorstellung eines Mehrgenerationenplatzes mit einem „feinen Geflecht von Synergien“ sowie der Verweis auf eine (nicht unbedingt architektonisch verstandene) Dorfstruktur wurden von uns früh aufgegriffen uns als Leitbild des Entwurfs gesehen. Ziel war es, einen Ort mit hoher innerer Oberfläche zu gestalten, der sowohl über ein wünschenswertes -und für die Stadt absolut notwendiges- Maß an Komplexität verfügt, zugleich aber eine klare Identität sowie hohe Lesbarkeit und Erfahrbarkeit hat. Aus dem sozialen Anspruch des Dorfgedankens wurden die Begriffe der Mischung und der Vielfalt abgeleitet.

Mehrgenerationenplatz und "Tweed-Grid"
Über das Bild des “Tweed-Grid“ wurde versucht, neben dem reinen Organisieren und Anordnen von Baukörpern auch des Überlagern und Integrieren von Nutzungen und Funktionen in einer dreidimensionalen (Freiraum-) Struktur darzustellen.

Fasern und Garn
Aus zunächst rein funktionalen Anforderungen zur Erschließung und Nutzung der Freiräume werden sogenannte “Tweed-Fasern“ festgelegt, welche –je nach Lage und Anforderung der jeweiligen Freiräume- zu “Tweed-Garnen“ zusammengelegt werden. Wie in der Schnitt-Übersicht erkennbar, ergeben sich so klar funktionale Freiraumstreifen mit unterschiedlichen Ausformungen und Möglichkeiten. Durch das “Verknüpfen“ dieser Garne und durch die darüber liegende städtebauliche Anordnung der Baukörper entstehen vielschichtige Bereiche, die sich zum einen in eindeutige Nutzungsräume wie Spielanger oder Schulhof zusammenfassen lassen, zum anderen aber in ihrer Gestaltung flexibel und vielschichtig bleiben. Durch das Spiel mit Überlagerung und Vieldeutigkeit wird Unschärfe als Qualität gesehen. Durch eine Vielzahl an Kontaktflächen entwickeln die Freiräume eine große innere Oberfläche, die zum Katalysator spontaner Aktivität werden kann.

Füreinander und Miteinander von Jung und Alt
Die dargestellten Freiräume des Mehrgenerationenplatzes sollen durch ihre flexible und vielfältige Gestaltung im Besonderen dem Anspruch der kooperativen und synergetischen Nutzung gerecht werden. Wichtige Voraussetzung hierfür ist in unseren Augen die Mehrfachbelegung – und Nutzung von Freiräumen wie dem Schul- und Sporthof sowie dem zentralen Spielanger. Im Laufe eines Tages können so verschiedene Nutzer die Flächen und Räume bespielen.

Wohnungsbau und Schulbausteine
Der geforderte feinkörnige Wohnungsmix wird im Wohngebäude mit Ost-West Orientierung durch eine extrem Flexible Kernzone ermöglicht. Die Wirtschaftlichkeit ist durch den 4-Spännertyp gegeben, wird durch die großzügigen Wintergärten im Bereich der Wohnungseingänge, belichtet und bietet somit eine freundliche und großzügige Begegnungsfläche in den Eingangsbereichen. Der Wohnungsschlüssel kann durch dazuschalten oder wegnehmen der Zimmer, beliebig, zum Teil sogar nachträglich variiert werden. So können die gewünschten Sonderwohnformen bei Bedarf angeboten oder wieder rückgebaut werden. Die Grundrisse ermöglichen sowohl eine Offene Wohnform um einen Wohn- und Kochbereich herum, als auch die geschlossenere Variante mit abgetrennter Küche und Flur. Die Nord-Süd Typen sind als Laubengang-Typen angedacht. Das Wohnen ist somit zur ruhigeren Südseite und zu den Privatgärten gerichtet.

Die Schulbauten sind als „Bausteine“ konzipiert. So wird die Realteilung ermöglicht und das Provisorium kann bis zur Fertigstellung der Oberstufe uneingeschränkt genutzt werden. Auf sich im Laufe der Jahre ändernde Bedürfnisse kann bei Bedarf flexibel reagiert werden.

Konstruktion
Beim Bau der Gebäude sollen ausschliesslich natürliche und ökologisch unbedenkliche Baustoffe verwendet werden. Nach Möglichkeit sollen diese unbehandelt eingesetzt werden, was einerseits den Materialien ihre eigentliche Oberfläche und Haptik belässt und diese andererseits auch am schönsten altern lässt. Beim Kindergarten sollen die Aussenwände in Stampflehm errichtet werden. Hier bleibt der Enstehungsprozess für immer ablesbar, es ist auch denkbar, Schüler und Eltern in die Bauarbeiten mit einzubeziehen. Entgegen klassischer Lehmarchitektur soll die Verwendung des Materials aber auf eine zeitgemäße Art und Weise geschehen, scharfkantig und präzise gefasst. Beim Wohnungsbau spielt aber insbesondere auch die Wirtschaftlichkeit eine große Rolle. Vorgefertigte Wandelemente gewährleisten neben einer kurzen Bauzeit auch sehr gute Dämmeigenschaften. Die tragenden Bauteile aus Stahlbeton sollen zu Teilen sichtbar bleiben (Decken, Balkonbrüstungen), hier soll der Beton jedoch mittels Zuschlägen und Nachbehandlung (Sandstrahlen) veredelt werden.

Klima
Sämtliche Gebäude weisen aufgrund ihrer kompakten Bauweise ein sehr gutes A/V-Verhältnis auf. Aufgrund der optimierten thermischen Hülle und eines moderaten Fensteranteils nach Süden, Westen und Osten sind die baulichen Gegebenheiten für ein zeitgemässes Energiekonzept gegeben. Die Wärmeerzeugung soll durch die Nutzung regenerativer Energieformen erfolgen (z.B. je nach geologischer Gegebenheit Geothermie oder zentrale Hackschnitzelheizung).

Die Dächer werden begrünt und teilweise als Dachgärten nutzbar gemacht. Die Flachdächer dienen somit auch der Regenrückhaltung, können aber auch für Solaranlagen bzw. Photovoltaikanlagen genutzt werden ohne die Ansicht des Gebäudes zu beeinträchtigen.


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